Eventing-Monitoring: Leistungstest auf dem Laufband

24.4.08/cm. Nach zwei Tagen Angewöhnung, einer umfassenden Gesundheitsuntersuchung mit Endoskopie und Ganganalyse sowie ersten kleineren Belastungen absolvierten heute die beiden CC-Stuten Mykena und Lutine auf dem Laufband im sportmedizinischen Leistungszentrum des Tierspitals Zürich ihren ersten Leistungstest. Dabei wurden sie unter permanenter Überwachung der Herzfrequenz, mehrmaliger Messung des Laktatwertes während des Tests an die aerob-anaerobe Schwelle herangeführt. Das fehlende Reitergewicht wurde durch eine leichte Steigung des Laufbandes kompensiert. Es war faszinierend zu sehen, wie schnell die Pferde begriffen, dass man auch 'an Ort' in hohen Tempi galoppieren kann. Die intellektuelle und psychische Leistung, das seit der Geburt gewohnte Bild der bei Bewegung vorbeiziehenden Umgebung durch das Bild und das völlig neue Gefühl einer statischen Umgebung, aber eines unter den Hufen wegfliehenden Bodens zu ersetzen, kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht alle Pferde tun sich gleich leicht damit. So sind vor allem die Übergänge zu Beginn sehr delikat, insbesondere der Übergang vom Halt in den Schritt und umgekehrt. Hier und beim ganzen Angewöhnen, Ausrüsten und Begleiten der Probanden zeigt sich die langjährige Erfahrung des Leiters des Leistungszentrums, Dr. Michael Weishaupt, und seines Teams. Bereits beim ersten Betreten des Laufbandes und Antreten im Schritt können die erfahrenen Tierärzte aussagekräftige Prognosen über das Verhalten eines Pferdes im Leistungstest machen.

 

Die Selbstverständlichkeit, mit der die Pferde ihren Job - hier waren es Tempi um 10m/s bzw. 600m/Min. - auch in dieser ungewohnten Umgebung machen, ist faszinierend und bestätigte mir meine Grundüberzeugung, dass die Pferde prinizipiell gutmütig und positiv eingestellt sind und uns zu Willen sein wollen. Wenn wir nicht mehr verlangen, als sie physisch, psychisch und geistig leisten können, wenn sie Vertrauen zu uns haben und wir sie nicht überfordern, so sind sie in aller Regel auch willens, diese Leistung zu erbringen, wenn sie nicht vorher falsch behandelt oder verdorben wurden - durch uns oder andere Menschen.

Auch der Betrachter muss umstellen beim Laufbandtest, da er vieles zwar viel deutlicher sieht, so z.B. optisch die Ausrichtung der Nachhand auf die Vorhand oder akustisch den klaren 3- bzw. je nach Galopptempo 4-Takt, umgekehrt gewohnte Eindrücke wie die Galoppsprunglänge weniger gut wahrnehmen kann.

Unmittelbar im Anschluss an die Spitzenbelastung wurde mit Herzultraschall die mechanische Funktionalität der Herzklappen unter starker Belastung geprüft, da sich die Resultate einer Herzuntersuchung in der Ruhe nicht einfach auf das Bild unter Belastung übertragen lassen . Auch die Rektaltemperatur wurde sofort nach der Spitzenbelastung gemessen. An einigen grossen Championaten, so z.B. an den OS Atlanta 96 und den WEG Jerez 02, konnten Pferde mit einer Rektaltemperatur über 41 Grad im Zusammenhang mit weiteren ungünstigen Parametern zum Ausschluss eines Pferdes führen.

Aufschlussreich sind immer auch die Erholungszeiten. Beide Probanden waren nach der Spitzenbelastung mit Herzfrequenzen um 200 innert 5 Minuten wieder auf rund 80 Schlägen pro Minute. Dank einem regulierbaren Frontalventilator kamen die Pferde nicht zu stark ins Schwitzen und trockneten auch sehr schnell wieder ab.

Aufgrund der im Leistungstest ermittelten Daten wird nun für die beiden Stuten ein Trainingskonzept erarbeitet und dann mithilfe der Polar-Ausrüstung ermittelt, inwieweit sich die Daten auf dem Laufband, im Training und am Turnier entsprechen. Bereits beim ersten Test entsprachen alle Parameter und insbesondere die Unterschiede in den Spitzentempi, die zu vergleichbaren Herzfrequenzen und Laktatwerten führten, ziemlich genau dem empirischen Eindruck der Reiterin im Turnier.

Wichtig zu wissen ist, dass jeder Sprung ein anaerober Moment ist, das heisst, der Kraftaufwand beim Sprung ist so hoch, dass Laktat ausgeschüttet wird, das zwischen den Sprüngen von einem gut traininerten Pferd wieder abgebaut werden kann. Wenn aber die Sprungdichte zu hoch und die Art der Bauweise mit den Kombinationen so stark verlangsamt, dass zwischen den Hinderniskomplexen in sehr hohen Tempi geritten werden muss, damit die verlorene Zeit wieder gutgemacht werden kann, so kommt das Pferd kaum aus der Übersäuerung heraus. Diese Einsicht sollte wegweisend sein für das Vorhaben, in Zukunft auf den Geländestrecken die Anzahl Sprünge pro Kilometer zu beschränken.

 

 

Erste Daten

15.4.08/cm. Bereits in Avenches wurden bei einigen Pferden erste Turnierdaten mit dem Polar-Equipment (www.polar-equine.com) ermittelt. Die Herzfrequenzkurven gaben ersten Aufschluss über den Konnex zwischen Herzfrequenz und aerob-anaerober Schwelle. In Frauenfeld kamen nun bei den mit Polar ausgerüsteten Teilnehmern zwei weitere Parameter hinzu: die Rektaltemperatur und die Laktatkonzentration unmittelbar und ein par Minuten nach Zieleinlauf. Die Temperatur wurde bei allen Teilnehmern des CIC* nach Zieleinlauf gemessen, die Laktatwerte, die eine geringe Blutentnahme erforderten, auf freiwilliger Basis (99% der Teilnehmer machten mit). Laut den beiden zum Projektleitungsteam gehörenden Tierärzten Dominik Burger und Katja von Peinen können erst bei Vorliegen einer genügend grossen Datenmenge klare Schlüsse gezogen werden über den Stellenwert der einzelnen Parameter. Weder Pulsfrequenz noch Laktatwert oder Temperatur lassen für sich allein stringente Schlüsse zu, die beispielsweise das Verdikt 'überfordert' rechtfertigten. Im Idealfall hat ein Jurymitglied in einer CC-Prüfung aber nicht nur die vom Tierarzt kommentierten drei Parameter Herzfrequenz, Laktat und Temperatur, sondern auch noch über einen Monitor die Veränderung der Galoppade und des Verhaltens am Sprung als Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung. Denn auch hier geht es nicht um absolute Werte, sondern um die relative Veränderung. Ein Vollblüter bewegt sich vielleicht für den unwissenden Betrachter auch im Zustand der Überforderung noch stupender als ein schwereres Pferd. Erst der Vergleich zwischen den Bewegungsabläufen zu Beginn und im Verlauf bzw. gegen Ende eines Geländerittes erlaubt ein vorsichtiges Urteil über den Fitness-Zustand. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass die Ermüdungskurve nicht linear verlaufen muss, dass sich gut trainierte Pferde während des Geländeritts erholen können, wenn der Reiter erfahren genug ist, die Anzeichen von Ermüdung rechtzeitig zu erkennen und dem Pferd eine Verschnaufpause zu gönnen, indem er das Tempo zurück nimmt und die Topographie der Strecke berücksichtigt.
Der technische und personelle Aufwand für diese Art der Überwachung von Geländepferden mag gross sein und es wurden auch schon Stimmen laut, die in dieser umfassenden Kontrolle während des Ritts eine zu grosse Freiheitseinschränkung des Reiters sehen, aber angesichts der gerade in den letzten eineinhalb Jahren wieder zunehmenden Anzahl schwerer Unfälle im CC-Sport scheint mir die Verhältnismässigkeit gewahrt und die Einschränkung zumutbar. Es ist ja nicht so, dass bislang keine Kontrolle bestand und keine Konkurrenten aus der Prüfung genommen wurden. Mit den neuen technischen Möglichkeiten werden nur die Willkür und die Subjektivität der Entscheide stark eingeschränkt. Wenn an der EM 07 in Rom und auch in diesem Jahr in Barroca d'Alva noch rein aufgrund des optischen Eindrucks eines Pferdes über ein oder zwei Hindernisse – und vielleicht auch noch aufgrund des Gemeckers Umstehender - die gelbe oder gar die rote Fahne geschwenkt wurde, so sollten gerade die Reiter diese neuen, bedeutend seriöseren, umfassenderen und damit objektiveren Grundlagen für einen Ausschluss begrüssen.

Beim laufenden schweizerischen Eventing-Monitoring-Projekt liegt der Hauptfokus aber auch auf der Vermeidung der Überforderung mittels Sensibilisierung und Kompetenzerweiterung der Reiter im Training. Wer im Training und im Turnier mit Polar-Equipment reitet und sich der Überprüfung der Fitness der eigenen Pferde auf dem Laufband und an den Turnieren stellt, verfügt mit der Zeit über stark verbesserte Grundlagen für die Selektion der für das jeweilige Pferd gemässen Prüfung und für das zumutbare Tempo unterwegs.

Eventing-Monitoring-Projekt gestartet

4.4.08/cm. Das Projekt einer veterinärmedizinischen Trainingsbegleitung von ausgewählten SEC-Paaren, das der Chef des Zürcher Leistungszentrums für Pferde, Dr. Michael Weishaupt, anlässlich der SEC-Mitgliederversammlung am 29. Februar in Aussicht stellte, ist nun bereits in eine konkrete Umsetzungsphase getreten. In Zusammenarbeit mit unserem CC-Equipentierarzt und Leiter der Klinik des Nationalgestüts, Dr. Dominik Burger und der Schweizer Vertretung der finnischen Hightech-Equipment-Firma Polar, entstand ein Konzept, dessen Umsetzung nun mit einer Gruppe von vier aktiven SEC-Mitgliedern gestartet wurde mit Briefing, Materialübergabe und ersten Tests am Tierspital Zürich. Eric Chouhmat, Segment Manager von Polar (www.polar-equine.com), orientierte zusammen mit Michael Weishaupt und Katja von Peinen vom Leistungszentrum über die Geheimnisse der speziell für Pferde entwickelten Hard- und Software für die Trainingsbegleitung.


Jenny Eicher, Beat Sax, Tamara Acklin und Susanna Meyer erhielten zu stark vergünstigten Bedingungen die oben abgebildete Hardware zur Messung von Herzfrequenz und Geschwindigkeit (mithilfe des GPS-Moduls rechts im Bild), die Software zur Speicherung und Auswertung der Daten aus Trainings und Turnieren sowie eine praktische Einführung in die Handhabung von Hard- und Software durch die Projektleiter. Ebenfalls zum Lieferumfang gehört eine elegante schwarze Abschwitzdecke mit dem Logo von Polar.

Am 6. April wird das Equipment in Avenches von den dort startenden Projektteilnehmern bereits getestet. Das Vet-Team des Gestüts wird Laktatmessungen vornehmen bei den Probanden. Ebenfalls bereits begonnen haben die Laufbanduntersuchungen im Leistungszentrum am Tierspital Zürich. Baltazar von Susi Meyer ist bereits ein erprobtes Laufbandpferd, Helios von Beat Sax hat eine erste Serie von Tests in den letzten Tagen absolviert, Belle Mykena und Lutine de Brenil von Tamara Acklin werden nach dem CC Frauenfeld die Tests absolvieren. Auch dieser Teil des Eventing-Monitoring-Projekts ist für die SEC-Probanden deutlich vergünstigt. Als Gegenleistung verpflichteten sich die vier Projektteilnehmer, seriös und regelmässig Messungen vorzunehmen und das umfangreiche Datenmaterial in Form eines elektronischen Trainingstagebuchs den Forschern zur Verfügung zu stellen. Auch für Polar ist das Feedback der Teilnehmer hilfreich, da aufgrund der Erfahrungen der CC-Reiter vor allem auch im Turnier das Equipment weiter optimiert werden kann. Wir werden hier auf dieser Seite immer wieder über die gemachten Erfahrungen orientieren. Wer sich für eine Teilnahme am Projekt interessiert, das neben den Vergünstigungen aber auch eine klare Verpflichtung zur Datenerhebung und -weiterleitung enthält, kann sich im Leistungszentrum bei Dr. med.vet. Katja von Peinen melden: Tel. 044 635 88 81.